Moderne Produktentwicklung muss mehr bieten als reine Funktionalität. Die Forschung zur „Embodied Cognition“ (verkörpertes Denken) zeigt: Menschen bewerten Produkte nicht durch abstrakte Analyse, sondern ganzheitlich mit allen Sinnen. Unser Körper „spürt“ intuitiv, ob ein Produkt stimmig ist – und zwar lange bevor wir bewusst darüber nachdenken
Die 6 Dimensionen des Erlebniswürfels
Der Erlebniswürfel hilft, alle wichtigen Sinneserfahrungen systematisch zu berücksichtigen. Er besteht aus sechs Dimensionen, die zusammen ein stimmiges Gesamterlebnis schaffen. Diese Dimensionen wirken nicht isoliert, sondern beeinflussen sich gegenseitig – ähnlich wie Instrumente in einem Orchester.
- Berührung: Wie sich ein Produkt anfühlt – Temperatur, Textur, Gewicht und Widerstand – vermittelt sofort einen Eindruck von Qualität und Wertigkeit.
- Klang: Jeder Ton und jedes Geräusch – vom satten Türschließen bis zum Startton eines Geräts – löst unmittelbare Qualitätsurteile aus.
- Szene (Situation): Ein Produkt wird in unterschiedlichen Situationen unterschiedlich erlebt – dein Smartphone bedienst du anders im hektischen Pendlerverkehr als am ruhigen Schreibtisch.
- Gefühl: Produkte lösen Gefühle und damit körperliche Reaktionen aus – von Freude (Lächeln, Wärme) über Stolz bis zu Frustration (Anspannung, Stirnrunzeln).
- Bewegung: Als bewegungsorientierte Wesen reagieren wir stark auf die Qualität von Bewegungsabläufen bei der Produktnutzung.
- Raum: Produkte verändern den Raum um uns herum – sie schaffen Aktivitätszonen, beeinflussen Bewegungsflüsse und fördern oder hemmen soziale Interaktionen.
Integration in den Designprozess
Der Erlebniswürfel lässt sich auf verschiedene Weisen in bestehende Designprozesse einbinden:
- ganzheitliche Nutzerforschung: Gehe über visuelle Eindrücke hinaus und beobachte, wie Menschen mit Produkten körperlich interagieren.
- Multisensorische Ideenfindung: Entwickle neue Ideen, indem du systematisch alle Erlebnisdimensionen erforschst – nicht nur Aussehen und Funktion.
- Dimensionsspezifische Prototypen: Erstelle Prototypen, die bestimmte Sinneserfahrungen testen – wie fühlt sich etwas an, wie klingt es, wie bewegt man sich damit?
- Ganzheitliche Bewertung: Beurteile Designs entlang aller Erlebnisdimensionen, nicht nur nach Funktionalität und Ästhetik.
Das Zusammenspiel der Dimensionen
Die 6 Dimensionen bilden ein Ganzes:
- Gegenseitige Verstärkung: Eine angenehme Berührung verstärkt positive Emotionen. Ein harmonischer Klang unterstützt intuitive Bewegungen.
- Stimmigkeit ist entscheidend: Wenn alle Dimensionen eine zusammenhängende Geschichte erzählen, entsteht ein überzeugendes Gesamterlebnis. Widersprüche führen zu Misstrauen – wie bei einem teuer aussehenden Produkt, das sich billig anfühlt.
- Schwachstellen vermeiden: Ein in fast allen Bereichen perfektes Produkt kann durch eine einzige schwache Dimension entwertet werden. Der Erlebniswürfel hilft, solche Schwachstellen zu finden und zu beheben.
Der Erlebniswürfel erinnert daran: Wir designen nicht für rational denkende Nutzer, sondern für Menschen, die mit allen Sinnen wahrnehmen und deren Urteil auf einer Vielzahl von bewussten und unbewussten Eindrücken basiert.
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